«Kein Projekt ist wie das andere»
An den Schweizermeisterschaften der Gebäudetechnik 2023 holte sich die Lüftungsplanerin Patricia Jakob die Goldmedaille. Dabei war die 24-jährige Bernerin zeitweise unsicher, ob sie überhaupt den Lehrabschluss schafft.
Interview: Béatrice Koch, Fotos: Leo Boesinger
Du bist nun Gebäudetechnikplanerin Lüftung mit eidg. Fähigkeitszeugnis (EFZ). Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?
Patricia Jakob: Ich bin auf Umwegen zu dieser Ausbildung gekommen. Ursprünglich wollte ich Landwirtin werden; ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und wohne heute mit meinem Partner auf einem Hof mit Mutterkühen und Hühnern. Aber diese Ausbildung musste ich im zweiten Lehrjahr aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Es war klar, dass ein handwerklicher Beruf für mich nicht infrage kommt. Auf der Suche nach Alternativen bin ich im Internet auf die Ausbildung zur Gebäudetechnikplanerin gestossen. Vorher hatte ich nicht einmal gewusst, dass es diesen Beruf überhaupt gibt. Aber weil ich technisch schon immer interessiert war, dachte ich, das wäre etwas für mich. Ich hatte dann das Glück, dass ich in der Nähe meines Wohnorts in einem Betrieb, der auf Lüftung spezialisiert ist, eine Schnupperlehre und anschliessend ein viermonatiges Praktikum machen durfte. Schliesslich konnte ich auch die vierjährige Lehre im selben Betrieb absolvieren.
Was hat dir an der Berufslehre besonders gefallen?
Besonders beeindruckend finde ich, wenn ich die Pläne, die ich zuvor am Computer entworfen habe, in echt auf der Baustelle anschauen kann und sehe, dass die Lüftung tatsächlich so gebaut wird, wie ich sie geplant habe. Und die Technik, all die Prozesse, die in einer Lüftungsanlage zusammenkommen, haben mich interessiert und fasziniert. Ich hatte schon in der Schule eine Vorliebe für Physik und Mathematik, Sprachen waren nicht so meins.
Was bereitete dir während der Lehrzeit am meisten Schwierigkeiten?
Für mich war es ja schon der zweite Lehranfang. Ich war also schon etwas älter und den Arbeitsalltag gewohnt. Während der Lehre gab es eigentlich keine grösseren Schwierigkeiten, ausser dass ich, wie wahrscheinlich alle Lernenden, mit dem h,x-Diagramm zu kämpfen hatte. Mit diesem lassen sich sämtliche Prozesse einer Lüftungsanlage berechnen und darstellen. Die grösste Hürde war aber der psychische Druck, den ich mir selbst während den Abschlussprüfungen auferlegte. Der Gedanke, dass die Prüfungen eine wichtige Rolle für meine Zukunft spielen, war für mich ein Knackpunkt. Das kannte ich schon von der Schule: Ich bin grundsätzlich ein selbstkritischer Mensch und zweifle oft an mir. Ich konnte auch nicht einschätzen, wie die Prüfungen gelaufen sind, und ob ich den Lehrabschluss überhaupt schaffe.
Du hast die Lehrabschlussprüfung dann aber sehr gut gemeistert, bald darauf an den Schweizermeisterschaften der Gebäudetechniker an der Olma in St. Gallen teilgenommen und dir dort gleich die Goldmedaille gesichert. Wie hast du den Wettbewerb in Erinnerung?
Es war ein ganz anderes Arbeiten, als ich es vom Lehrbetrieb gewohnt war. An der Olma fühlte ich mich am Anfang beobachtet durch das interessierte Publikum, dazu kamen der Zeitdruck und der hohe Lärmpegel. Aber irgendwann kommt man in einen Tunnel und blendet alles andere aus. Ich war so unter Zeitdruck, dass ich die Umgebung gar nicht mehr wahrgenommen habe. Es war für mich auch schwierig einzuschätzen, ob ich die Aufgaben gut gelöst hatte. Ich wollte einfach nicht als Letzte abgeben.
Warum hast du dich denn überhaupt für die Meisterschaften angemeldet, wenn eine Prüfungssituation nicht so Deins ist?
Als das Resultat der Lehrabschlussprüfung vorlag, hat mich mein Lehrbetrieb darin bestärkt, mich anzumelden. Ich dachte, ich habe ja nichts zu verlieren: Die Lehrabschlussprüfung hatte ich bestanden, und die Festanstellung im Lehrbetrieb war auch schon auf sicher. Und ich wusste, dass es meinen Chefs nicht wichtig war, ob ich Erste oder Letzte werde. Entsprechend ging ich ziemlich locker und ohne grosse Erwartungen an die Meisterschaften.
Nun bist du mittlerweile im Lehrbetrieb fest angestellt. Was sind die positiven Aspekte des Berufsalltags?
Der Beruf ist sehr vielseitig. Ich kümmere mich um alles, was bei einem Lüftungsprojekt anfällt. Das heisst: Ich rechne aus, wie viel Luft es braucht und wo diese ins Gebäude gelangen soll, erstelle die Pläne, berechne die Kosten und überwache die Montage vor Ort. Bei der Lüftung ist kein Projekt wie das andere. Jedes Gebäude bringt seine eigenen Voraussetzungen mit. Man muss sich deshalb immer wieder neue Gedanken machen, es gibt keine Standardlösungen, das macht den Beruf spannend. Ausserdem fühle ich mich im Betrieb sehr wohl. Mit neun Leuten sind wir ein kleines Team, und ich hatte schon während der Lehre ähnliche Aufgaben wie heute übernommen. Insofern war der Übergang von der Lernenden zur Angestellten keine grosse Sache.
Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Im August beginne ich an der Berufsfachschule die dreijährige berufsbegleitende Weiterbildung zur Gebäudetechnikerin HF mit Fachrichtung Klima. Dafür werde ich mein Arbeitspensum von 100 auf 80 Prozent reduzieren. Ich möchte gerne noch ein wenig im Betrieb bleiben, mir gefällt es hier nach wie vor gut.
Was würdest du Jugendlichen raten, bevor sie sich für eine Berufslehre entscheiden?
Ich selbst hatte das Glück, dass ich gleich auf Anhieb einen Lehrbetrieb und eine Lehre gefunden habe, die mir zusagte. Aber grundsätzlich ist es sicher gut, wenn man verschiedene Berufe und Betriebe anschaut. Die meisten Betriebe sind offen, Leute zum Schnuppern einzuladen. Auch wenn man einen Beruf gefunden hat, der einem gefällt, lohnt es sich, verschiedene Betriebe anzuschauen. Ausser man hat wie ich einfach Glück, und es passt grad auf Anhieb.
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Gebäudetechnikplaner/in Lüftung EFZ
Kenntniserwerb
- Kennenlernen der Bauteile und Funktionen (Umwandlung, Verteilung, Quellen) raumluft-technischer Anlagen
- Planen energiesparender Lüftungs- und Klimaanlagen
- Berechnen der Masse und Kosten der Anlagen
- Überwachen der Montage und der Inbetriebnahme
- Erstellen von Offerten und Materiallisten
Anforderungen
Wichtig sind Abstraktionsvermögen und räumliches Vorstellungsvermögen sowie Interesse am technischen Zeichnen sowie, ebenso exakte Arbeitsweise. Wünschenswert sind in diesem Beruf auch Verhandlungsgeschick, eine Prise Organisationstalent, Ausdauer, selbstständiges Arbeiten. Interesse an Physik macht ebenso Sinn.
Ausbildung allgemein
4 Jahre berufliche Grundbildung (inkl. Praktika im Magazin, in der Werkstatt und auf der Baustelle) mit jeweils einem Tag Berufsschule pro Woche. Zertifikat nach absolviertem Qualifikationsverfahren: Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis «Gebäudetechnikplaner/in Lüftung EFZ».
Die praktische Ausbildung erfolgt in einem Betrieb für Lüftungsinstallationen oder in einem auf Lüftungstechnik spezialisierten Ingenieur- bzw. Planungsbüro.
Für Jugendliche mit guten bis sehr guten Schulleistungen besteht die Option, die Berufsmaturitätsschule zu besuchen – während oder nach der schulischen Grundbildung mit der Zusatzqualifikation «Berufsmaturität».
Ausbildungsschwerpunkte
Mathematik, Physik, Baukonstruktionstechnik, Chemie, Informatik, Elektrotechnik oder Werkstoffe. Aber auch allgemeine Themen wie Arbeitssicherheit und Brandschutz, Betriebsorganisation sowie Nachhaltigkeit sind Teil der Ausbildung; nicht zu vergessen die Allgemeinbildung und der Sport.
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