Perspektiven des Viessmann-Carrier-Deals
Es ist eine Übernahme, welche die Branche wachrüttelt. Der hessische Wärmeerzeuger-Hersteller Viessmann veräussert seine Sparte Klimalösungen für rund zwölf Milliarden Euro an den US-Konzern Carrier Global. Mit der Ankündigung geht in Deutschland die Sorge vor dem Ausverkauf der deutschen Heizungsindustrie und Abwanderung der Produktion einher. Für die Schweiz wird sich mit dem Deal in den Kundenbeziehungen kaum etwas ändern – mittelfristig sind eher zusätzliche positive Effekte zu erwarten.
Text und Fotos: Manuel Fischer (Presseschau)
Schon lange nicht mehr schlug die Nachricht aus der deutschen Wirtschaftswelt derart hohe Wellen wie der geplante Verkauf der Klimasparte der in der Heizungstechnik tätigen Viessmann-Group an das börsenkotierte US-Unternehmen Carrier, das unter anderem Kälteanlagen weltweit herstellt und vertreibt. In etwa 9,6 Milliarden Euro sollen in bar gezahlt werden, der Rest in Carrier-Aktien. Die Viessmann-Gründerfamilie wird dadurch zu einem der grössten Aktionäre von Carrier und erhält auch einen Sitz im Verwaltungsrat. Die Sparte «Klimalösungen» ist diejenige, in der Viessmann Wärmepumpen herstellt. Sie macht rund 85% des Unternehmensumsatzes aus. Dass ausgerechnet das Wärmepumpen-Geschäft als entscheidender Baustein der Energiewende in ausländische Kontrolle übergehen soll, sorgt in der deutschen Politik und Medienwelt für Irritationen. Viessmann gilt neben Vaillant und Bosch als der grösste Wärmepumpenhersteller Deutschlands.
Chancen und Risiken
Die Süddeutsche Zeitung (29.4.2023) zeichnete ein Stimmungsbild aus dem nordhessischen Allendorf, dem Hauptsitz des Unternehmens. Für viele Einwohner der ländlichen Gemeinde ist Viessmann der wichtigste Arbeitgeber; fast jeder oder jede kennt jemand, der dort arbeitet. Sogar eine Viessmann-Kreuzung, eine Viessmann-Ampel und eine Viessmann-Strasse gibt es dort. Mancherorts Unverständnis, dass der Konzern in Familienhand willens ist, das lukrative Wärmepumpen-Geschäft zu verkaufen.
Andererseits macht derselbe Artikel auf die komplizierte Ausgangslage deutscher Hersteller aufmerksam; beträchtliche Chancen treffen sich mit nicht ganz von der Hand zu weisenden Schwierigkeiten, die Zukunft in diesem Markt zu bewältigen. Einerseits hört man die Prognose, dass sich der Markt für Wärmepumpen in Europa in den nächsten Jahren auf 15 Mrd. Dollar verdreifachen wird. Carrier-Global-CEO David Gitlin wird zitiert: «Wir kommen nicht, um Fabriken zu schliessen – im Gegenteil.» Andererseits die Einschätzung einer grossen Unternehmensberatungsfirma: Mittelständische Unternehmen brauchen dringend Mittel, um kostspielige Investitionen, die Produktentwicklung oder insbesondere deren Digitalisierung voranzutreiben. Der Kapitalmarkt in den USA sei grösser und liquider, was es den Unternehmen leichter mache, zu expandieren.
Mittelstand ade?
Die französische Tageszeitung «Le Monde» (5.5.2023) skizziert den mit 34 Jahren Max Viessmann, ausgestattet mit «Dreitagebart und runder Brille» als jungen Mann mit entspanntem Umgang – oft in der Presse – als Prototyp einer neuen Generation, welche die Geschicke mittelständischer Unternehmen in Familienhand übernimmt. Der Entscheid stellt damit die Erwartungshaltung in Frage, dass der deutsche Mittelstand die Herausforderungen der Zukunft aus eigener Kraft schon schaffe. Das Gespenst der Desindustrialisierung Deutschlands zugunsten anderer Regionen wie den USA, Chinas oder der asiatisch-pazifischen Wirtschaftszone greife um sich.
Rahmenbedingungen
In einem längeren Kommentar in der Neuen Zürcher Zeitung (28.4.2023) verweist der Autor auf den Strukturwandel hin, der durch den Klimaschutz ausgelöst wird. «So steht ein Boom auf dem Markt für Wärmepumpen an, während Gas- und Ölheizungen wegen ihres hohen CO2-Ausstosses zum Auslaufmodell werden. Davon werden auch grosse Hersteller aus Asien profitieren wollen, die in Mengen günstige Wärmepumpen liefern können.» Die Prognose: Der Wettbewerbsdruck werde steigen und die verstärkte Fokussierung auf Wärmepumpen-Technologie werde bei den europäischen Anbietern wie Viessmann, Bosch und Vaillant massive Investitionen auslösen müssen.
Der Kommentator schlägt eine Bresche für wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen: Anstelle von mutigem Bürokratieabbau, beschleunigten Genehmigungsverfahren oder Reduktion der Steuerbelastung drohe im Gegenteil ein Aufblasen der Bürokratie: Der Gesetzesentwurf der Ampelregierung für klimafreundliches Heizen strotze von Verboten, Geboten, Ausnahmen und Übergangslösungen, flankiert von Subventionen nach dem Giesskannenprinzip.
Situation am Schweizer Markt
Die Unterschiede zwischen der Situation in den Wärmeerzeuger-Märkten in Deutschland und der Schweiz sind allerdings nicht zu übersehen. Während in der Schweiz mit den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) die Rahmenbedingungen seit geraumer Zeit bereits so gesetzt sind, dass Wärmepumpen in Neubauten und peu à peu auch im Sanierungsmarkt breit verbaut werden, will Deutschland den Rückstand bei klimafreundlichen Heizungen via bundesweitem Gebäudeenergiegesetz aufholen.
Marianne Zaugg, Mediensprecherin von Viessmann (Schweiz) AG, weist auf den hohen Preis der Kapitaltransaktion Viessmann - Carrier hin als Zeichen der «Wert-Schätzung». Damit seien hohe Erwartungen verbunden. Den verbesserten Zugang zu Know-How und Märkten in Europa lasse sich der Käufer etwas kosten.
Für den Schweizer Markt seien die Effekte überwiegend positiv. Erstens bleibe die Marke Viessmann als Garant für Qualität und Innovationskraft erhalten. «Andererseits dürfen Kunden davon ausgehen, dass die Integration der Sparte Klimalösungen in einen weltweiten Konzern Vorteile für sie bringt. So werden allenfalls noch bestehende Lieferengpässe für Komponenten von Wärmepumpen schneller gelöst werden», wie Zaugg ergänzt.
Impressum
Textquellen: div. Quellen aus der europäischen Tagespresse
Bildquelle: Manuel Fischer
Bearbeitung durch: Redaktion Phase 5
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