Debatte mit Christoph Gmür und Andrea Grüniger um die richtige Methodik für den beschleunigten Ausbau thermischer Netze. (Fotos: Nicolas Zonvi)

«Ausbau thermischer Netze ist kein Hightech-Problem»

Eine sichere dekarbonisierte Wärmeversorgung rückt ins Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Die Politik bekennt sich jüngst zum beschleunigten Ausbau Thermischer Netze als wichtigen Beitrag dazu. Wie sieht ein koordiniertes Vorgehen aus? Welche Instrumente stehen zur Verfügung? Darüber diskutieren Andrea Grüniger, Senior-Projektleiterin bei Eicher+Pauli AG und Christoph Gmür, Leiter Energietechnik bei der Abteilung Energie im Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich.


Interview: Manuel Fischer


Vor bald 9 Jahren verfasste das Planungsbüro Eicher + Pauli das «Weissbuch Fernwärme Schweiz». Ein enormes Potenzial an Erneuerbaren Energiequellen (Seen, Grundwasser, Abwärme, Tiefengeothermie usw.) wurde dem Fachpublikum präsentiert. Gelten die Hauptaussagen immer noch?

Andrea Grüniger: Vor 10 Jahren war das Buch durchaus visionär. Zum ersten Mal konnte man quantitativ aufzeigen, dass wir genügend erneuerbares Potenzial haben, um den ganzen Komfortwärme-Bereich abzudecken. Und die zweite Aussage war: Es braucht thermische Netze, , da die Wärmequellen örtlich nicht immer da sind, wo auch die Verbraucher sind. Dazu brauchen wir die Infrastruktur mit den Leitungen.

Christoph Gmür: Der Inhalt stimmt nach wie vor. Zeigte man damals das Potenzial auf, geht es heute vielmehr darum, dieses zu nutzen. Im Moment ist plötzlich ein starker Impuls für die Fernwärme da. Noch vor Jahren ging man davon aus, dass das Erstellen der Netze auf freiwilliger Ebene geschieht und Interessierte sich dann anschliessen. Heute haben wir die Situation, dass den Liegenschaftsbesitzenden, welche einen fossilen Wärmeerzeuger haben und diesen ersetzen müssen, der Rückgriff auf dieselbe Technik verwehrt bleibt. Sie müssen also auf ein erneuerbares System umsteigen, da kann die Fernwärme jetzt ein Angebot machen.

Das Weissbuch nennt verschiedene Typen von Wärmequellen. Beim Gewinnen von Energie aus dem See sind gerade sehr viele Projekte aufgegleist, bei der Geothermie passiert hingegen nicht viel. Die Quellen werden mit sehr unterschiedlichen Prioritäten erschlossen. Weshalb?

Christoph Gmür: Zur Umsetzung der genannten Potenziale braucht es Technik. Und die Technik ist eben nicht überall gleich reif. Wie die schlummernde Energie aus den Seen gewonnen werden kann, weiss man. Bei der untiefen Geothermie via Erdsonden ebenso. Wir haben keine Tiefenbohrungs-Technologie, wo wir schon heute schon sagen können, dass diese massentauglich umsetzbar wäre. Das geologische Wissen schreitet immerhin voran. Den Untergrund können wir mit neuen Bohrtechniken besser erkunden als noch vor wenigen Jahren. Damit kann man die Erschütterungen, die noch in Sankt Gallen und Basel auftraten, weitgehend vermeiden.

Andrea Grüniger: Es ist nicht primär eine Frage der Technik. Der wirtschaftliche Aufwand beim Ausschöpfen des Energiepotenzials aus Seen ist kalkulierbar. Meistens liegen die grossen Städte als Wärmeabnehmer auch an den Seen. Hingegen haben wir bei Geothermie-Projekten ein sehr grosses wirtschaftliches Risiko. Die Gewissheit, etwas zu finden, ist nicht gegeben; als Investor habe ich das Risiko, dass ich ein paar Millionen in den Sand stecke und nichts finde.

 

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