Schwarze Löcher als Lärmfallen

Wer in einem Altbau mit Holzböden lebt, kennt das Problem: Auch, wenn die Nachbarn von oben mit graziler Eleganz über den Boden gleiten, klingt es in der eigenen Wohnung als hause man unter einer Kegelbahn. Selbst für modernste Holzgebäude ist Trittschall eine Herausforderung. Wissenschaftler der Empa tüfteln an einer Lösung.

An der Empa wird derzeit die Forschung zu einer Weltneuheit in der Schalldämmung von Holzbauten abgeschlossen. Mit einer physikalischen Theorie aus den 1990er-Jahren und den Mitteln der Digitalisierung hat ein Forschungsteam neue Bodenelemente aus Massivholzplatten entwickelt, die über so genannte akustische schwarze Löcher verfügen. Die zündende Idee kam von Stefan Schoenwald, dem Leiter des Bauakustiklabors der Empa in Dübendorf. Die Theorie der akustischen schwarzen Löcher ist ihm seit deren ersten Publikation 1987 mehrfach an Konferenzen und in wissenschaftlichen Veröffentlichungen begegnet. Laut dem russischen Autor M.A. Mironov aus dem «Andreyev Acoustics Institute» in Moskau kann eine parabolische Aussparung in einem Material Vibrationen wie Schall aufnehmen und ausschwingen lassen – anders gesagt: schlucken. Akustische schwarze Löcher kamen bereits bei Autos und Flugzeugen zur Anwendung, wobei sich ihre schallvermindernde Wirkung bestätigte.

Trittschalldämmung im Holzbau verbessern

Allerdings ist die Fertigung bei sehr dünnen, harten Materialien nicht einfach. Weder im Holzbau noch in der Bauakustik fanden je Experimente mit Mironovs Aussparungen statt. Dies ändert Laborleiter Stefan Schoenwald nun gemeinsam mit seinem Kollegen Sven Vallely. Mit neuartigen Brettsperrholzplatten-Elementen wollen die beiden Forscher die Trittschalldämmung im Holzbau verbessern.

Wie es Schallwellen in der Luft gibt, so gibt es Schallwellen in Materialien, sogenannte Körperschallwellen. «Wenn man auf einen Boden auftritt, ist das wie ein Stein, den man in einen Teich wirft: Im Material breiten sich in alle Richtungen Schallwellen aus», erläutert Schoenwald. Wenn nach einer spezifischen mathematischen Funktion eine linsenförmige Vertiefung aus dem Material gefräst wird, laufen die Schallwellen in diesen Bereich hinein. Dabei verstärken sich die Amplituden immer weiter, während die Wellenläge der Schwingungen abnimmt. «Könnte man die Platten im Bereich dieser Vertiefungen unendlich dünn machen, dann würden sich die Schallwellen tatsächlich von alleine in diesen 'schwarzen Löchern' totlaufen, es käme also nichts mehr aus der Linse», so Schoenwald. Fraglich war allerdings, ob die schallmindernde Wirkung auch bei einer beschränkten Tiefe der Aussparung eintritt. 

Die akustischen schwarzen Löcher in Holzbauten

Die Idee, mit akustischen schwarze Löchern in Holzbauten zu experimentieren, kam Stefan Schoenwald während der Arbeit. Er bat seinen Kollegen Vallely, die schallmindernde Wirkung am Computer zu simulieren und durchzurechnen. Um statische Bedenken aus dem Weg zu räumen, wurde Andrea Frangi, ein Holzbau-Experte der ETH Zürich, nach seiner Einschätzung gefragt. Nicht nur dessen Rückmeldung, sondern auch die Modellierung der Schallminderung am Computer war vielversprechend. Also gab Schoenwald einen Prototyp und eine normale Kontrollplatte aus dem gleichen Material bei der Strüby AG in Seewen in Auftrag. Mit einer CNC-Maschine fräste der Holzbau-Spezialist Alex Bellmont dort die linsenförmige Kuhle massgenau aus einer Brettsperrholzplatte. «So ein Auftrag ist zwar nicht sehr schwierig, aber dafür umso spannender», sagt der Maschinist, «ich habe noch nie etwas hergestellt, an dem dann geforscht wird.»

Computerpower macht's möglich

Die beiden Platten – einmal mit, einmal ohne akustische schwarze Löcher – wurden an der Empa einer Schwingungsanalyse unterzogen. Bei dieser Messung wird Schall über das ganze relevante Schallspektrum als Vibration in den Testkörper geleitet. Ein Laser misst die Vibration der Test-Platten rasterförmig an mehreren Stellen. Mit den Messwerten kann dann berechnet werden, wie sich die Vibration durch die Platte bewegt – und, ob die ausgefrästen Dellen den Schall auch wirklich «einfangen» und in Form von Wärme verpuffen lassen.

Noch vor zehn Jahren wäre eine solche Versuchsreihe nicht durchführbar gewesen. Schon die Modellierung der Vibration eines kleinen Bandbreitebereichs war vom rechnerischen Aufwand her eine Dissertation. Heute rechnen Schoenwald und Vallely an einem Nachmittag das ganze akustische Spektrum durch und machen die Vibrationen als Visualisierung gleich sichtbar. Ziel des Versuchs ist es, zu untersuchen, ob die simulierten Resultate sich mit den gemessenen Werten decken. Denn wenn das Computermodell der Realität entspricht, können am Computer nahezu kostenlos alle möglichen Parameter verändert werden, ohne dass jedes Mal eine neue Versuchsplatte angefertigt werden muss. So lässt sich die Schallminderung ohne aufwändige Experimente für Holzelemente aller möglichen Grössen und Geometrien optimieren.

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