Olivier Brenner von der Konferenz Kantonaler Energiedirektoren informierte zum Strategiepapier Gebäudepolitik 2050+, eine Grundlage für die Weiterentwicklung der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn).

Die Energiewende rollt an

Zur zehnten Ausgabe des Round Table Gebäudetechnik von GebäudeKlima Schweiz und der Schweizerischen Normen-Vereinigung kamen so viele Teilnehmende wie noch nie. Rund 100 Vertretende der Gebäudetechnik-Industrie sowie von Behörden und Verbänden diskutierten in Aarau anstehende Themen der Branche. Im Fokus stand dabei die Energiestrategie 2050 des Bundes.


Quelle: Gebäudeklima Schweiz, Bearbeitung: Manuel Fischer


«Die Energiewende kommt nicht mehr, sie ist bereits da. Zumindest in der Schweiz» – mit diesen Worten begrüsste René Schürmann, Präsident von GebäudeKlima Schweiz (GKS) Mitte September die Teilnehmenden zum Round Table Gebäudetechnik 2023. Der bedeutendste Schweizer Hersteller- und Lieferantenverband der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik organisiert den runden Tisch alljährlich zusammen mit der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV). Mit rund 100 Teilnehmenden nutzten dieses Jahr so viele Branchenvertretende wie noch nie die Gelegenheit für den Austausch mit anderen Herstellern und Lieferanten sowie mit Behörden und Verbänden. Hauptthema in Aarau waren ebendiese Energiewende und die damit verbundenen Herausforderungen. So brauche es Anpassungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – «nicht nur auf Herstellerseite», wie René Schürmann betonte.

Auf gutem Weg, aber ...

Zum Start erläuterte Adrian Grossenbacher vom Bundesamt für Energie (BFE) die Wärmestrategie 2050, eine Darstellung des klimaneutralen Wärmesektors und wie der Weg dahin aussieht. Rasches und koordiniertes Handeln sei zwingend nötig, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, so Adrian Grossenbacher, der anhand des Zielbildes 2050 die Stossrichtungen für verschiedenste Bereiche darlegte. Die Gebäudetechnik-Branche sei dabei matchentscheidend. Auf Kantons- und Bundesebene würden zudem verschiedenste Arbeiten laufen, welche die Umsetzung auf gesetzlicher und freiwilliger Basis sowie bei der finanziellen Förderung vorantreiben.

Grosses Einspar- und Ausbaupotenzial

Wo aber stehen wir aktuell? 28,6 % des Schweizer Gesamtenergieverbrauchs stammen zurzeit aus erneuerbaren Energien, wie Simon Dalhäuser von aeesuisse aufzeigte. Grosses Einspar- beziehungsweise Ausbaupotenzial sieht er beim Schweizer Gebäudepark. Dieser benötigt rund 100 TWh Energie pro Jahr, davon rund drei Viertel für die Wärmebereitstellung (Heizung, Warmwaser). Der Rest fällt auf Beleuchtung, Kühlung, Lüftung, weitere elektrische Geräte. Dieser sei für rund 45 % des schweizerischen Gesamtenergieverbrauchs verantwortlich, wovon bis 2050 rund die Hälfte eingespart werden könnte.

Die Gebäude in der Schweiz verursachen etwa 10 Mio. t CO2-Äquivalente. Die komplette Dekarbonisierung sei dank Wärmepumpen, klimaneutralen Wärmenetzen, Biomassefeuerungen und Solarenergie erreichbar, so die Aussage von Dalhäuser.

Neue MuKEn im Anmarsch

Auch Olivier Brenner von der Konferenz Kantonaler Energiedirektoren hielt fest, dass es weitere Schritte bezüglich Gebäudehülleneffizienz, erneuerbarer Wärme und Stromerzeugung brauche, um die Vorgaben durch Bundesgesetzgebungen zu erfüllen. Die Stossrichtung dazu haben die Kantone im Strategiepapier Gebäudepolitik 2050+ festgehalten, eine Grundlage für die Weiterentwicklung der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn). Gleichzeitig zeigte Olivier Brenner aber auch auf, dass die bisher ergriffenen energie- und klimapolitischen Instrumente ihre Wirkung zeigen. So gingen die CO2-Emissionen im Sektor Gebäude zurück, und das in jüngerer Vergangenheit immer schneller. Auch die energetischen Erneuerungsraten würden tendenziell unterschätzt. Und nicht zuletzt sei die Luft-Wasser-Wärmepumpe seit 2019 das meistverkaufte Heizsystem.

 

Wie weiter mit den Kältemitteln?

Wärmepumpen standen dann auch beim Input von Henry Wöhrnschimmel vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) im Zentrum. Denn die meisten Kältemittel, die aktuell in Wärmepumpen verwendet werden, enthalten fluorierte Treibhausgase (F-Gase), welche die Umwelt gefährden können. Henry Wöhrnschimmel informierte am Round Table nun über den aktuellen Stand der diesbezüglichen Regelungen in der Schweiz. Dabei zeigte er auf, dass sich das BAFU eng mit Behörden und Branchenvertretern austauscht, um den Stand der Technik regelmässig zu überprüfen. Aktuell steht eine Vernehmlassung zur Revision des Anhangs 2.10 der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) kurz vor dem Abschluss. Vorgesehen ist etwa eine Verschärfung der bestehenden Inverkehrbringensverbote – vorwiegend für die Anwendungsbereiche Kälte- und Klimaanlagen – sowie des Nachfüllverbots von Kältemitteln mit einem Treibhauspotential (GWP) über 2500.

Ideales Kältemittel gibt es nicht

Gleichzeitig verwies Henry Wöhrnschimmel auf die so genannte F-Gas-Verordnung, die zurzeit in der EU diskutiert wird. Nach Abschluss dieses Revisionsprozesses sollen die Regelungen der ChemRRV auch zu Wärmepumpen umfassend revidiert und möglichst an die F-Gas-Verordnung angeglichen werden.

Barbara Guder von der SNV bot eine Übersicht wichtiger Kältemittel in der Klimatechnik und zeigte ausserdem auf, dass es das ideale Kältemittel nicht gebe. So hat das natürliche Kältemittel Propan zum Beispiel ein sehr geringes Treibhauspotenzial, ist jedoch hochentzündlich, was wiederum höhere Sicherheitsanforderungen zum Beispiel bezüglich Aufstellungsort oder Füllmengen mit sich bringt. Bei der Auswahl von Kältemitteln müsse deshalb immer ein Kompromiss gefunden werden.

Auf alle Eventualitäten vorbereitet

Zum Abschluss des Round Table Gebäudetechnik stellte Stefan Jäschke von der Firma Envenion den neuen GKS-Leitfaden «Wasserstoffeinsatz in der Industrie und der Gebäudetechnik» vor. Dieser richtet sich primär an Gebäudetechnikplaner und -installateure und bietet eine Auslegeordnung für die stationäre Nutzung von Wasserstoff in Gebäuden. Zwar beschränkt die Schweizer Wärmestrategie die Nutzung von Wasserstoff auf die Erzeugung von Hochtemperatur-Prozesswärme, die Spitzenlastabdeckung in Wärmenetzen sowie auf wärmegeführte Wärmekraftkopplungsanlagen. Die europäischen Wasserstoffstrategien sehen jedoch die Nutzung im Wärmemarkt allgemein vor. «Wir wollen mit diesem Leitfaden sicher keine Politik machen. Aber wir von der Industrie sind auf alles vorbereitet», hielt GKS-Geschäftsleiter Konrad Imbach in seinen zusammenfassenden Worten fest und lud die Anwesenden dazu ein, sich beim anschliessenden Apéro Zeit für Diskussionen im kleineren Kreis zu nehmen – «so wie es auch die Idee unseres Round Table Gebäudetechnik ist».

Weitere Informationen zum Verband Gebäudeklima Schweiz

Kältemittel im Spannungsfeld Thermodynamik - Nachhaltigkeit - Sicherheit
Ein ideales Kältemittel gibt es nicht, das gleichzeitig thermodynamisch optimal sich verhält, in der Handhabe sicher und nicht toxisch und ebenso keinen Treibhauseffekt hervorruft. Lesebeispiel: So ist R 410A - ein Kältemittelgemisch aus Difluormethan und Pentafluormethan – sicher und thermodynamisch effizient, aber hat ein Treibhausgaspotenzial (GWP) von 2088 (bei Freisetzung; hingegen kein Ozonabbaupotenzial = ODP). Propan (R 290) hingegen ist effizient und hat nur ein GWP von 3 (kein ODP); bei der Handhabe des brennbaren Gases müssen unbedingt Sicherheitsvorschriften beachtet werden.
(Nachgebaute Infografik)

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