Zielkonflikt-Glasfassade
Grosszügige Glasflächen sind beliebt, denn sie bringen viel Tageslicht in die Räume und bieten tolle Ausblicke. Allerdings ist auch die Überhitzungsgefahr sehr hoch. (Foto: Pixabay/bogitw)

Fensterflächen sollen heute so dimensioniert und platziert werden, dass die Innenräume lichtdurchflutet sind, aber nicht überhitzen. Damit es nicht Unmengen an Energie zum Kühlen braucht, müssen bereits frühzeitig wichtige architektonische Entscheide getroffen werden. Doch ganz ohne Gebäudetechnik geht es selten – vor allem bei hohen internen Lasten.


Autor: Remo Bürgi

Redaktionelle Bearbeitung: Phase5


Grosse Fenster sind beliebt. Kein Wunder: Sie bringen viel Tageslicht ins Gebäudeinnere und öffnen den Blick ins Freie. Das viele Glas hat indes auch eine Kehrseite, denn die einfallenden Sonnenstrahlen können zu einer starken Überhitzung führen. Sollten wir daher einfach wieder kleinere Fenster verbauen? Nein – weniger Tageslicht wäre nicht nur sehr unpopulär, sondern auch potenziell gesundheitsschädlich. Zwar können wir heute Tageslicht durch künstliches Licht ersetzen, aber nur in visueller Hinsicht. Die Sonne ist nicht nur eine Lichtquelle, sondern beeinflusst auch unseren Organismus. So ist erwiesen, dass sich ein Mangel an Tageslicht negativ auf die menschliche Gesundheit auswirkt. Das liegt daran, dass der Zeitrhythmus des menschlichen Körpers wesentlich durch das Licht der Sonne getaktet wird. Fehlt dieser Kontakt, gerät der Rhythmus durcheinander, was zu Krankheiten wie Depressionen, Diabetes, Herzerkrankung oder Krebs führen kann.

Genug Tageslicht vorsehen

Es ist daher wichtig, Gebäude so zu konzipieren, dass die Nutzenden möglichst gut mit Tageslicht versorgt sind. Als verbindliche Grundlage gilt in der Schweiz seit 2019 die europäische Norm SN EN 17037 «Tageslicht in Gebäuden». Sie legt Qualitätskriterien fest, beispielsweise punkto Blendschutz, Besonnung oder Ausblick. Damit wird «gutes Licht» konkret fassbar.

Um die geforderte Tageslichtversorgung zu erreichen, ist die Fensterfläche zwar ein relevanter Faktor, aber bei Weitem nicht der einzige.

Wichtige architektonische Ansatzpunkte sind zum Beispiel auch:

  • die Raumproportionen: Hohe Räume bieten eine bessere Tageslichtversorgung in die Tiefe.
  • die Sturzhöhe: Je kleiner die Höhe des Sturzes über dem Fenster, desto mehr Licht gelangt ins Rauminnere.
  • die Abschattung: Vordächer, Balkone oder benachbarte Gebäude können die Fensterfläche verschatten und so den Tageslichteinfall reduzieren.

Daneben spielt natürlich auch die Ausrichtung des Objekts eine entscheidende Rolle – nach Süden orientierte Fassaden werden besser mit Tageslicht versorgt als nach Norden ausgerichtete.

Zielkonflikt Glasfassade
Wie gut ein Raum mit Tageslicht versorgt wird, hängt nicht nur von der Fenstergrösse ab, sondern auch von vielen anderen architektonischen Parametern.

Sommerlichen Wärmeschutz sicherstellen

Schiessscharten ähnelnde Fenster können also nicht die Lösung sein, um der Überhitzung von Innenräumen vorzubeugen. Gefragt ist stattdessen eine umfassende Betrachtung des Themas. Trifft Sonnenlicht auf eine Glasfläche, wird der Raum dahinter wesentlich stärker erwärmt als bei opaken Fassadenteilen, insbesondere wenn diese gut gedämmt sind. Um eine Überhitzung des Gebäudes oder einzelner Räume zu verhindern, muss daher in erster Linie das direkte Auftreffen von Sonnenstrahlen auf das Glas verhindert werden. Dazu wird in der Regel ein aussenliegender Sonnenschutz montiert, etwa Lamellenstoren, Markisen oder Rollläden. Optimalerweise ist diese äussere Beschattung so konzipiert, dass dennoch Tageslicht ins Gebäudeinnere gelangt. Damit die Nutzenden nicht geblendet werden, wird sie häufig mit einem innen verbauten Blendschutz kombiniert.

Zu einem umfassenden sommerlichen Wärmeschutz gehören aber auch architektonische Aspekte. Dazu zählen etwa:

  • Eckfenster: Sie sorgen zwar für viel Tageslicht, stellen aber auch ein grosses Überhitzungsrisiko dar. Daher sollten die Fensterflächen bei Eckräumen unter Umständen auf eine Fassadenseite beschränkt werden.
  • Brüstung: Für die Tageslichtversorgung ist vor allem das oben in den Raum einfallende Licht wichtig. Daher kann es sinnvoll sein, Fenster nicht bodentief zu gestalten, sondern eine Brüstung vorzusehen. Dies reduziert den Wärmeeintrag deutlich stärker als den Tageslichteintrag.
  • Festverschattungen: Gezielt eingesetzt, bieten Balkone oder Vordächer einen wirksamen Sonnenschutz für darunterliegende Fenster.
  • Speichermasse: Böden, Wände und Decken wirken der Erwärmung entgegen, wenn sie unverkleidet sind. Daher wenn möglich auf abgehängte Decken verzichten und Wände nicht oder nur mit geeigneten Materialien verputzen lassen.
  • Interne Lasten: Geräte produzieren Wärme. Es lohnt sich deshalb, energieeffiziente LED-Leuchten und IT-Infrastrukturen zu nutzen, welche die Innenräume möglichst wenig erhitzen.

Gebäudetechnik bei hohen internen Lasten

Die Erfahrung zeigt, dass mit diesen Ansätzen der sommerliche Wärmeschutz bereits deutlich verbessert werden kann. Insbesondere für Gebäude mit hohen internen Lasten (z.B. Büro- und Schulgebäude mit vielen IT-Geräten und vielen Nutzenden) sind aber meist auch technische Massnahmen nötig, um den Klimakomfort sicherzustellen. Angesichts der heisser werdenden Sommer mit längeren Hitzeperioden werden immer mehr Gebäude eine Kühlung benötigen, weil sich die Wärme sonst nicht mehr aus der Immobilie entfernen lässt. Zwar gibt es Lowtech-Konzepte, die beispielsweise dank massivem Mauerwerk und einem sehr tiefen Fensteranteil ohne aktive Kühlung auskommen. Dies erfordert jedoch eine eigens darauf ausgerichtete Architektur, die sich insbesondere bei Bestandesbauten kaum nachträglich realisieren lässt.

Verschiedene Kühlmethoden

Gebäude lassen sich auf verschiedene Art und Weise kühlen. Die Nachtauskühlung kommt weitgehend ohne Technik- und Energieeinsatz aus. Dazu werden nachts die Fenster so geöffnet, dass die Wärme über eine Querlüftung (horizontal) oder via Kamineffekt (vertikal) abgeführt wird. Das funktioniert aber nur, wenn die Aussentemperatur nachts unter die Innenraumtemperatur sinkt – bei Hitzeperioden mit Tropennächten stösst die Methode daher an ihre Grenzen.

Eine Alternative mit geringem Energiebedarf ist das Freecooling über Leitungen im Fussboden oder in der Decke, in denen kühles Wasser zirkuliert. Es nimmt dabei Wärme auf und gibt diese an eine Wärmesenke wie Grundwasser oder Erdsonden ab. Energie benötigt bei diesem Prozess nur die Umwälzpumpe der Wärmepumpe. Die Innenraumtemperatur kann mit dieser Methode um einige Grad abgekühlt werden. Reicht dies nicht aus, weil beispielsweise die internen Lasten zu hoch sind, muss eine aktive Kühlung via Kältemaschine eingesetzt werden. Optimalerweise wird für deren Stromversorgung eigener Photovoltaikstrom vom Dach und/oder der Fassade eingesetzt. Meist stimmen die Produktionsspitzen der Photovoltaik mit den Bedarfsspitzen der Kühlung überein – beide fallen meist auf die Mittagszeit sonniger Sommertage.

 


Nutzerverhalten entscheidend

Oft geht vergessen, dass nebst architektonischen Parametern und technischen Lösungen auch die Nutzenden eine zentrale Rolle spielen für einen wirkungsvollen sommerlichen Wärmeschutz. Ihr Verhalten entscheidet darüber, ob die angedachten Konzepte in der Praxis auch tatsächlich funktionieren. Dies gilt insbesondere für das Lüftungsverhalten und die Bedienung des Sonnenschutzes. Wenn die Nutzenden zu Unzeiten die Fenster öffnen oder vergessen, die äussere Beschattung zu bedienen, wird der gewünschte Klimakomfort kaum erreicht. Deshalb ist es wichtig, die Nutzenden sorgfältig zu instruieren. Dennoch dürfte die Gebäudeautomation gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels künftig auch bei Wohnbauten relevanter werden. Planende sollten diesen Aspekt berücksichtigen und mit der Bauherrschaft und den Architekten besprechen, damit Gebäude auch im Klima der Zukunft wie gewünscht funktionieren.

Rechtzeitig einplanen

Um die Zielkonflikte zwischen Tageslicht und sommerlichem Wärmeschutz zu entschärfen, gilt es verschiedene Aspekte zu prüfen und einzubeziehen. Entscheidend ist, dass sie bereits in den frühen Planungsphasen beachtet werden. Eine wertvolle Hilfestellung bieten dabei thermische Gebäudesimulationen. Sie zeigen beispielsweise, in welchen Räumen die Gefahr einer Überhitzung besteht. Zudem lassen sich so verschiedene Entwürfe durchspielen und Varianten entwickeln.

 

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