«Nebenbei betreuen geht nicht»
Bei der Climeco AG in Bern nimmt man sich Zeit für die Betreuung der Auszubildenden. Auch Wertschätzung für die junge Generation wird grossgeschrieben. Vorbei sind die Zeiten, als man Lernende noch als Laufboten einsetzte. Und sogar Frauen finden einen Weg in die Gebäudetechnik.
Text: Antonio Suarez, Fotos: Annette Boutellier
An der Statthalterstrasse im südlichen Teil von Bern-Bümpliz entstehen zwei Doppel- und sechs Reiheneinfamilienhäuser einer privaten Immobilienfirma. Die acht dreistöckigen Eigentumswohnungen werden in Massivbauweise aus Beton und Mauerwerk realisiert, wobei die Fassade mit feingliedrigen vertikalen Holzlamellen verkleidet wird. Die Wohnungen verfügen über jeweils zwei Anschlüsse für Einzelwaschtische und Duschen sowie je einen Anschluss für Abwasch- und Waschmaschine. Um die Planung der Sanitäranlagen kümmert sich Sanja Schroll, angehende Gebäudetechnikplanerin Sanitär beim unabhängigen Berner Gebäudetechnik-Ingenieurbüro Climeco AG. «Gemeinsam mit meinem Ausbildner habe ich alles von den Grundleitungen bis zur Stockwerkverteilung eingezeichnet», sagt die 20-Jährige, die demnächst ihr drittes von vier Lehrjahren abschliesst. «In diesem Fall ist es so, dass die Käufer der Eigentumswohnungen selber entscheiden können, wo sie die Küche haben wollen. Deswegen müssen wir drei verschiedene Varianten einplanen.»
Sobald Sanja Schroll ihre Pläne mit dem CAD-Zeichenprogramm erstellt hat, prüft sie mit der Trimble Connect-Software, ob es zu Kollisionen mit anderen Gewerken kommt. Da die Heizungs- und Lüftungsplanung ebenfalls im Betrieb ausgeführt wird, kann sie ihre Pläne vor Ort mit den jeweiligen Fachplanern abgleichen. «Manchmal muss ich ein wenig herumprobieren, bis eine Leitung korrekt dargestellt wird», schildert Schroll, die an ihrem Arbeitsplatz an zwei grossen Bildschirmen arbeitet. Mit wenigen Mausklicks entstehen aus lauter Linien im Handumdrehen dreidimensionale Objekte. Die auf diese Weise generierte 3-D-Visualisierung erlaubt es, sich ein exaktes Bild davon zu machen, wo die Sanitärinstallationen im Gebäude stehen. «Wenn ich nicht am Computer arbeiten könnte, wäre ich nicht in diesem Beruf», fährt Schroll fort. Technisches Zeichnen mochte sie an der Schule eigentlich nicht. Doch für Informatik konnte sie sich begeistern.
Keine Leerläufe seit Gründung
Bei der Detailausbesserung der 3-D-Planung oder beim Erstellen von Offertanfragen braucht Schroll manchmal Hilfe von ihrem Lehrmeister Thomas Stöckli. Der Projektleiter Sanitär ist praktisch seit der Gründung der Firma im Sommer 2017 Teil der nunmehr 16-köpfigen Belegschaft. Innerhalb von sechs Jahren hat sich das Ingenieurbüro in einem Markt etabliert, der sich auf Bern und Region konzentriert, aber teilweise bis nach Basel, Luzern und Zürich erstreckt. Inzwischen deckt die Firma ein breites Kundensegment ab, das von Einfamilienhäusern und Wohnüberbauungen bis zu Gewerbe- und Geschäftsgebäuden reicht. Die Gewerke Heizung, Lüftung, Klima und Sanitär werden intern abgedeckt, während für die Elektroplanung meist eine externe Partnerfirma hinzugezogen wird. Climeco belegt einen Stockwerkteil eines Gewerbehauses in einer Industriezone am Rande Berns. «Wir haben eine Grösse, die es uns erlaubt, relativ flexibel und schnell zu reagieren», hebt Stöckli die Vorteile des Kleinseins hervor. Zwar könne man manche Grossprojekte nicht stemmen, doch dafür umso besser auf Kundenbedürfnisse eingehen.
Die Geschäfte laufen trotz steigender Hypothekarzinsen rund. Das Auftragsvolumen ist konstant hoch. Seit der Firmengründung sei es noch nie zu Leerläufen gekommen, bestätigt Stöckli. Nebst dem Reiheneinfamilienhaus in Bümpliz plant das Ingenieurbüro derzeit für ein 23-stöckiges Wohnhochhaus aus den Siebzigerjahren im selben Stadtteil, das totalsaniert wird. Ausserdem ist man an einer Überbauung mit 180 neuen Wohnungen auf dem Gelände einer ehemaligen Grossmetzgerei im alten Meinen-Areal in der Nähe des Eigerplatzes beteiligt. Auch für die Detailhändler Coop und Migros plant das Unternehmen an diversen Ladenstandorten. Momentan steht auch ein Gewerbebau in Deisswil in den Auftragsbüchern.
Anspruchsvolles Ressourcenmanagement
Wer rasch auf eine sich ändernde Auftragslage reagieren kann, hat im Baugewerbe generell gute Karten. Bauprojekte können aus unterschiedlichsten Gründen ins Stocken geraten, etwa wenn Investoren oder Baubewilligungen fehlen. Ein umsichtiges Ressourcenmanagement kann sich unter diesen Umständen auszahlen. Thomas Stöckli weiss aus Erfahrung, dass man stets einen Plan B bereithalten muss. «Denn es kann immer etwas dazwischenkommen», sagt er. Die Einteilung der Ressourcen ist für ihn deshalb eine der anspruchsvollsten Aufgaben. Zwei Planungen gibt es bei Climeco: eine längerfristige Auslastungsplanung für einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr und eine kurzfristigere Ressourcenplanung, bei der die Aufträge für die nächsten zwei Wochen zugeteilt werden. Die Koordinierung erfolgt jeweils an einer wöchentlichen Sitzung.
Mit am Tisch sitzt dabei auch Vanessa Karaqi, die kurz vor ihrem Lehrabschluss als Gebäudetechnikplanerin mit Fachrichtung Sanitär steht. «Am Montag halten wir unsere Teamsitzung. Dabei planen wir, was wir in der jeweiligen Woche terminlich erledigen müssen», sagt sie. Für ihren Arbeitgeber hat sie nur lobende Worte: «Die Teamarbeit funktioniert hier sehr gut. Alle begegnen sich auf Augenhöhe und die Lehrmeister sind sehr hilfsbereit.» Karaqis Lehrmeister ist Geschäftsleiter und Mitinhaber Emanuel Mock. Für die Lehrabsolventin albanischer Herkunft ist es nicht der erste Lehrbetrieb. Zu Climeco stiess die 20-Jährige erst im letzten Lehrjahr.
Betreuung braucht Zeit
Bei Climeco ist man sich bewusst, wie wichtig der Faktor Zeit ist bei der Betreuung von Lernenden. Thomas Stöckli hat dafür eigens einen achttägigen Diplomkurs absolviert. Die Ausbildung verhalf ihm zu einem besseren Verständnis für den Wert der Zeit. «Lernende kann man nicht einfach so nebenbei betreuen», weiss er. «Man muss ihnen Wertschätzung entgegenbringen, denn sie verbringen in der Regel vier Jahre bei uns.» Am Ausbildungszentrum hat Stöckli viel darüber gelernt, wie man es nicht machen sollte: «Früher war es im Baugewerbe gang und gäbe, Lernende als Laufboten einzusetzen, um beispielsweise das Znüni oder den Kaffee zu holen», sagt der Projektleiter. «Heutzutage ist das natürlich ein absolutes No-Go.»
Bei der Betreuung der Heranwachsenden ist ein behutsames Herantasten ans Metier von herausragender Bedeutung. Die jungen Leute kämen von der Schule direkt in die Privatwirtschaft, in einen teils umkämpften Markt, wo eine andere Sprache gesprochen werde, betont Stöckli. «Deshalb muss man sie langsam ans Umfeld heranführen.» Viele Jugendliche hätten ihre Schüchternheit noch nicht abgelegt. Deswegen müsse man darauf achten, sie nicht gleich zu Beginn auf den grimmigsten Bauleiter loszuschicken. «Man muss sie etwas aus der Reserve locken. Denn sie haben Kontakte zu Architekten und Behörden. Das ist etwas, das man ihnen beibringen muss», so Stöckli.
Familie als Ausgangspunkt
Beim Selektionsverfahren bewies das Unternehmen ein glückliches Händchen. Bisher hat niemand die Lehre abgebrochen. Wichtige Kriterien bei der Auswahl sind neben guten Noten in Mathematik und Physik die Beherrschung der digitalen Medien und das Interesse an Technik. Die Rekrutierung läuft über die Berufsbildungsplattform Yousty.ch und über die Webportale der Berufsberatungs- und Informationszentren. Auch auf der eigenen Homepage schreibt Climeco seine Lehrstellen aus. Die Bewirtschaftung der sozialen Medien dagegen steckt noch in den Kinderschuhen. Das Unternehmen sei dafür etwas zu klein und könne sich keine Marketingabteilung mit viel Manpower leisten, erklärt Stöckli. Die klassische dreitägige Schnupperlehre reiche dann meist aus, um sich ein verlässliches Bild von der Eignung eines Anwärters zu machen.
Wie angehende Lernende auf den Beruf des Gebäudetechnikplaners stossen, kann sehr unterschiedlich sein. Im Falle von Sanja Schroll war es eine Lehrperson, die ihr diese Möglichkeit im zehnten Schuljahr aufzeigte. Bei Vanessa Karaqi dagegen war es die Familie. Ihr Vater ist Sanitär-Chefmonteur und wusste um die Vielschichtigkeit des Baugewerbes, in dem eben auch Büroarbeit gefragt ist, nicht nur Muskelkraft. Der Bekanntheitsgrad des Planerberufs ist trotzdem noch ausbaufähig, so jedenfalls Karaqis Erfahrung: «Ich finde es schade, dass viele Schülerinnen und Schüler nicht wissen, dass es den Beruf des Gebäudetechnikplaners gibt», sagt sie. «Beim Sanitärfach denkt man automatisch an den Installateur, aber man kommt nicht darauf, dass es für dieses Fachgebiet auch Planer braucht. Mir wurde das erst bewusst, als mein Vater davon erzählte.» Vorbildfunktion hatte ihrem Fall nicht nur der Vater, sondern auch Vanessas fünf Jahre ältere Schwester Aurela, die ebenfalls bei Climeco angestellt ist.
Traditionelle Rollenbilder
Vanessa Karaqi möchte nach der Lehre beim Unternehmen bleiben und später vielleicht eine Weiterbildung machen. «Mir war wichtig, dass ich eine Ausbildung auf einem Beruf mache, der mir Freude bereitet», erklärt sie ihre Berufswahl. «Ich wollte etwas finden, was gut für meine Zukunft ist. Denn wenn ich später Kinder habe, könnte ich hier auch zuhause arbeiten. Das war mir besonders wichtig.» Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auch in der Baubranche ein Thema. Um dem notorischen Fachkräftemangel beizukommen, kann es sicherlich nicht schaden, wenn in Zukunft mehr Frauen in dieser traditionellen Männerdomäne ein Auskommen finden. Bei Climeco sind zwei von vier Lernenden weiblichen Geschlechts. Und auch fürs nächste Lehrjahr konnte bereits eine junge Dame gewonnen werden, die eine Berufslehre dem Gymnasium vorzieht. Für ein Ingenieurbüro ist eine solche Quote noch immer eher aussergewöhnlich.
Dies untermauert ein Blick ins Geschlechterverhältnis an der Gewerblich-Industriellen Berufsschule Bern. Dort ist Sanja Schroll nämlich in ihrer Lehrgangsklasse abgesehen von einer Kameradin die einzige Frau von insgesamt 18 Schülern. «In unserer Lehrklasse begannen zunächst drei junge Frauen. Später waren wir zu viert. Doch seit dem dritten Lehrjahr sind wir nur noch zwei», sagt sie. Dass es nicht mehr sind, liegt nicht nur an den MINT-Fächern. Manchmal sind es auch ganz einfach die traditionellen Rollenbilder der Erwachsenen. So waren es beispielsweise bei Vanessa Karaqi die Lehrer an der Schule, die ihr den Berufswunsch Architektin ausredeten: «Sie sagten mir, dass ich das nicht schaffen würde», erinnert sie sich. «Ich finde es schade, dass man an der Schule nicht alle Berufsmöglichkeiten aufgezeigt bekommt.» Den Mädchen lege man meist eine kaufmännische Karriere oder den Pflegeberuf nahe, während beim Baugewerbe immer noch die Knaben bevorzugt würden.
Frauen als Bereicherung
Dass es auch anders geht, beweist Climeco mit seiner Personalpolitik. Auch ohne positive Diskriminierung und Frauenquote fanden jüngst etliche junge Frauen eine Lehrstelle beim Berner Unternehmen. Thomas Stöckli sieht darin eine Chance: «Für den Betrieb ist es eine Bereicherung. Denn Frauen bringen in der Regel neue Denkansätze mit. Und das merkt man schon.» Auch Karaqi ist der Ansicht, dass Frauen mehr Abwechslung in die Betriebe bringen. Für sie ist die Gebäudetechnikplanung kein Männerberuf. Allerdings steht für sie nicht nur die Gesellschaft in der Bringschuld. Auch die Frauen müssten mehr Mut aufbringen und sich aus der Komfortzone wagen. «Nicht nur in der Medizin gibt es spannende Berufe. Auch Gebäudetechnikplaner ist ein wichtiger Beruf. Denn letztlich brauchen wir alle Frischwasser. Überall muss das Abwasser abgeführt werden», meint Karaqi, die zum Schluss des Gesprächs einen erwartungsvollen Blick nach vorn richtet: «In unserem Bereich sind Fachleute sehr gesucht. Man verdient auch gut. Deshalb hoffe ich, dass in den nächsten Jahren mehr Frauen diese Berufswahl treffen.»
Gebäudetechnikplaner/in Sanitär EFZ
Kenntniserwerb
Kennenlernen der Bauteile und Funktionen (Umwandlung, Verteilung, Quellen) raumluft-technischer Anlagen
Planen energiesparender Lüftungs- und Klimaanlagen
Berechnen der Masse und Kosten der Anlagen
Überwachen der Montage und der Inbetriebnahme
Erstellen von Offerten und Materiallisten
Ansprache, Anforderungen
Aktuelle Berufsbildungskampagnen legen den Schwerpunkt auf die vielfältigen und attraktiven Perspektiven im Berufsbild. Jugendliche erreicht man unmittelbar in der Du-Form; Neugier soll geweckt, Unsicherheit vor dem Unbekannten abgebaut werden.
Wichtig sind Abstraktionsvermögen und räumliches Vorstellungsvermögen sowie Interesse am technischen Zeichnen sowie, ebenso exakte Arbeitsweise. Wünschenswert sind in diesem Beruf auch Verhandlungsgeschick, eine Prise Organisationstalent, Ausdauer, selbstständiges Arbeiten. Interesse an Physik macht ebenso Sinn.
Ausbildung allgemein
4 Jahre berufliche Grundbildung inkl. Praktika im Magazin, in der Werkstatt und auf der Baustelle mit jeweils einem Tag Berufsschule pro Woche. Zertifikat nach absolviertem Qualifikationsverfahren: Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis «Gebäudetechnikplaner/in Lüftung EFZ». Für Jugendliche mit guten bis sehr guten Schulleistungen besteht die Option, die Berufsmaturitätsschule zu besuchen – während oder nach der schulischen Grundbildung mit der Zusatzqualifikation «Berufsmaturität».
www.toplehrstellen.ch
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Text: Antonio Suarez
Fotos: Annette Boutellier
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