Die Warmwasseraufbereitung muss gleichzeitig die Vorgaben für Legionellenprävention und Trinkwasserhygiene erfüllen. Im Tessin nehmen deshalb immer mehr Projekte Abschied vom klassischen Boiler. Stattdessen setzt sich die Frischwasserstation durch – so etwa bei einem Campus in Bellinzona oder im Centro Sportivo Tenero.
Text: Michael Staub
Fotos: Stefano Schröter
Redaktionelle Bearbeitung: Phase5
Am westlichen Stadtrand von Bellinzona, unmittelbar neben dem Fluss Ticino, liegt eine ehemalige Militärkaserne. 1959 nach einem Entwurf von Augusto Jäggli erbaut, wurde das Gebäude in den 1980er Jahren umgenutzt. Die prächtigen alten Bäume sind geblieben, zusammen mit den grosszügigen Rasenflächen entsteht der Eindruck einer Parklandschaft. Seit einiger Zeit ist hier das «Istituto cantonale di economia e commercio» (ICEC) untergebracht. Dessen Campus umfasst die kantonale Handelsschule, die höhere Fachschule für Hotellerie und Tourismus sowie die Fachhochschule für Wirtschaft. An den drei Schulen sind insgesamt etwa 1000 Lernende eingeschrieben.
Wegen der wachsenden Nachfrage benötigte das ICEC schon länger mehr Platz. 2010 wurde deshalb ein Wettbewerb für die räumliche Erweiterung veranstaltet. Gewonnen hat ihn das Architekturbüro Canevascini & Corecco (Lugano). Das Siegerprojekt, welches 2020 in Betrieb genommen wurde, besteht aus einem langgezogenen Anbau, der sich auf der Wiese zwischen dem bestehenden Gebäude und dem Canale Saleggi erstreckt. Das nördliche Ende des Daches steigt mit einem eleganten Schwung empor, darunter befindet sich das Auditorium. Verschiedene Übergänge im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss verbinden den Erweiterungsbau mit dem alten Gebäude.
Weniger Boiler
Für die Planung der gesamten Gebäudetechnik war die Rigozzi Engineering SA (Giubiasco) zuständig. Weil der neue Anbau auf Stützen über dem Parkplatz steht, wurden die Technikräume im Kellergeschoss des benachbarten Altbaus untergebracht. Hier deutet Manuel Rigozzi, Geschäftsführer und Inhaber der Rigozzi Engineering SA, auf einen mächtigen Elco-Gasbrenner mit 4 Megawatt Leistung und merkt an: «Das ist nur das Backup. Der ganze Campus ist an das Fernwärmenetz der KVA Giubiasco angeschlossen.» Über eine Tür gelangt man in eine weitere Zentrale. Hier befindet sich die Warmwasseraufbereitung für den Neubau. Neben einem technischen Speicher (1'500 Liter) umfasst sie zwei Frischwasserstationen 50.3 von Elco. «Diese Stationen sind sehr flexibel, benötigen kaum Platz und können modular eingesetzt werden. Wir produzieren das Warmwasser genau dann, wenn es benötigt wird», sagt Rigozzi.
In der Deutschschweiz wird der Grossteil der Warmwasseraufbereitungen immer noch mit Boilern realisiert. Im Tessin liege der Fall anders, stellt Manuel Rigozzi klar: «Die 2018 in Kraft gesetzte Trink-, Bade- und Duschwasserverordnung (TBDV) war der Wendepunkt. Damit sowohl die Trinkwasserhygiene wie auch der Legionellenschutz gewährleistet werden können, planen und bauen wir seither fast ausschliesslich Anlagen mit Frischwasserstationen.» Dies werde sehr häufig auch von Seiten der Bauherrschaft verlangt. «Wir sind hier nahe an der Lombardei, die von Covid-19 besonders hart getroffen wurde. Das Corona-Virus wird zwar über die Luft übertragen und nicht über das Wasser. Aber die Hygiene-Diskussion wurde im Tessin sehr stark geführt. Das hatte auch Folgen für die Warmwasseraufbereitung. Selbst für kleinere Mehrfamilienhäusern ist der Boiler bei uns faktisch gestorben», berichtet Rigozzi.
Flexible Anbindung
Damit eine Anlage mit Frischwasserstationen energetisch und praktisch überzeugen kann, ist die korrekte Dimensionierung zentral. Den richtigen Kompromiss zwischen Leistung, Speichervolumen und Platzbedarf zu finden, sei nicht immer einfach, meint Manuel Rigozzi. Hilfreich ist jedoch die Flexibilität: Eine Frischwasserstation kann mit einem beliebigen Energieträger kombiniert werden. Deshalb eignet sie sich sowohl für Anlagen mit fossilem Wärmeerzeuger wie auch für Installationen mit Wärmepumpe oder Fernwärmeanschluss. «Im Tessin ist zudem die Kombination mit einer PV-Anlage häufig. So kann ein Grossteil des benötigten Stromes gleich vom eigenen Dach bezogen werden. Ebenso binden wir auch immer wieder einmal bestehende oder neue Solarthermie-Anlagen ein», sagt Manuel Rigozzi.
Eine solche Kombination von Solarthermie und Frischwasserstationen findet sich zum Beispiel beim Nationalen Jugendsportzentrum in Tenero. Das weitläufige Areal des «Centro Sportivo Tenero (CST)» bietet insgesamt über 160 Sporteinrichtungen von Turnhallen für Squash und Judo über ein 50-Meter-Schwimmbecken bis zu Kletterwänden und einem Pumptrack. Diese Vielfalt zeigt sich auf dem Gelände sofort: Während die Jungs einer Fussballmannschaft aus der Romandie lebhaft ihren bevorstehenden Match besprechen, werden sie von einer Gruppe Mädchen auf Trottinetts überholt, die ihrem Kunstturnen-Training zustreben. Von der anderen Seite nähert sich ein Grüppchen müde aussehender Nachwuchs-Mountainbiker, und eine Schar Kinder mit Trinkflaschen nimmt die Picknicktische unter dem grossen Portikus des «Stabile Brere» in Beschlag. Der dreigeschossige Neubau aus der Feder von Mario Botta ist das jüngste Gebäude auf dem CST-Campus und wurde im Frühling 2023 eingeweiht.
Duschen dank Solarthermie
Seit 2010 besteht auf dem Gebäude «Stecca campeggio» im CST eine grosse Solarthermie-Anlage mit einer Kollektorfläche von insgesamt 500 Quadratmetern. Ursprünglich wurde diese grosse Anlage für die Warmwasseraufbereitung des Campings genutzt. Im Zug der Bauarbeiten des Stabile Brere wurde die Gebäudetechnik des Areals modernisiert. Michele Rimoldi, zuständiger Projektleiter bei der Rigozzi Engineering SA, führt aus: «Mit den bestehenden Solarthermieanlage speisen wir neu ein einziges Hochleistungsmodul im Camping des CST. Zudem nutzen wir ihre Wärme für die vier neuen Elco-Frischwasserstationen hier im Stabile Brere.» Um die Stationen zu versorgen, stehen in der Technikzentrale drei grosse Speicher zu je 6000 Litern Volumen. Dabei handelt es sich nicht etwa um neue Produkte, vielmehr wurden die Brauchwarmwasserspeicher der alten Anlage wiederverwendet und sorgfältig gedämmt. «Man muss nicht immer alles herausreissen und ersetzen, sondern kann die brauchbaren Komponenten weiter einsetzen. Auch das ist Nachhaltigkeit», meint Rimoldi.
Die Gebäudetechnik des Stabile Brere ist im Dachgeschoss untergebracht. Michele Rimoldi führt durch den langen Raum und weist im Vorübergehen auf das fast drei Meter lange Anlagenschema, das an der Wand hängt: «Die ganze Anlage ist sehr komplex – umso mehr sind wir stolz darauf, dass der Betrieb einwandfrei funktioniert.» Am Ende des Raumes sind vier Frischwasserstationen von Elco verbaut. Auch hier steht das Modell 50.3. im Einsatz. Rimoldi schildert die ungewöhnlichen Ansprüche an die Warmwasserproduktion: «Die Schwankungen sind hier enorm. Je nach Auslastung der Hallen und Anlagen wollen pro Stunde zwei oder 120 Jugendliche warm duschen. Diese enorme Bandbreite können wir mit den Frischwasserstationen flexibel abdecken.» Für die Unterstützung der Warmwasseraufbereitung steht im Stabile Brere zudem eine Wasser-Wasser-Grosswärmepumpe mit einer Leistung von 300 kW im Einsatz.
Vielfältige Vorteile
Die grosse Flexibilität bei der Warmwasserproduktion sei zusammen mit der jederzeit einwandfreien Hygiene der grosse Pluspunkt der Frischwasserstationen, sagt Alberto Pisan, Ingenieurberater bei Elco: «Solche Anlagen lassen sich sehr gut skalieren, von einer bis zu vier oder gar noch mehr Stationen. Unabhängig von der Art des Energieträgers ist die Einbindung via technischen Speicher sehr gut möglich, und Hygiene sowie Komfort sind maximal.» Besonders überzeugend ist im Tessin offenbar die Flexibilität der Technologie: Vom kleinen Wohngebäude bis zur grossen Sportanlage oder Einrichtungen mit besonders hohen Hygieneansprüchen (Altersheime, Kliniken, Reha-Einrichtungen) können die Frischwasserstationen ihre Vorteile ausspielen. Dank der durchdachten Konstruktion wird die Kalkbildung minimiert, und die präzise Temperatursteuerung verhindert unnötige Energieverluste.
«Wir bauen fast ausschliesslich nur noch Anlagen mit Frischwasserstationen und gewährleisten so die Trinkwasserhygiene und den Legionellenschutz.»
Manuel Rigozzi, Geschäftsführer und Inhaber der Rigozzi Engineering SA
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Textquelle: Michael Staub
Bildquelle: Stefano Schröter
Bearbeitung durch: Redaktion Phase 5
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