(Bild: suissetec)

Energiepolitik im Kanton Zürich

Das neue Energiegesetz des Kantons Zürich setzt klare Leitplanken beim Energiebedarf für Heizung, Warmwasser und Lüftung sowohl im Neu- wie Bestandsbau. Wichtig: Die Behörden der Zürcher Baudirektion unterrichtet die Branche, mit welchen Instrumentarien und Regelwerken man eine regelkonforme Heizungsanlage einrichtet. Und Spielräume für den Einzelfall gibt es durchaus.


Text und Bilder: Manuel Fischer


Der Kanton Zürich macht in Sachen Energiepolitik Nägel mit Köpfen. Mit dem positiven Ausgang der Volksabstimmung zum revidierten Energiegesetz vom 28. November 2021 war die Bahn frei, die notwendig gewordenen Änderungen in der «Besonderen Bauverordnung I (BBV I)» zu konkretisieren, die nach den Sommerferien dieses Jahres in Kraft treten wird. Diese regelt beispielsweise im Detail, welche neuen Pflichten die Planungsbüros und Installationsbetriebe der Gebäudetechnik zu beachten haben.

Das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) der Baudirektion des Kantons Zürich erstellt für die Inkraftsetzung Unterlagen, wie Nachschlagewerke (Vollzugsordner), Formulare, Deklarationen und automatisierte Rechnungshilfen, womit die Unternehmen rechtskonform energietechnische Anlagen erstellen oder erneuern können.

In Kooperation mit der Sektion Nordostschweiz von suissetec lud das AWEL die Fachleute der Branche in der ersten Mai-Woche zu Infoveranstaltungen in Rüschlikon und Illnau ein. Prioritär behandelt wurden die Konsequenzen aus der jüngsten Revision des Energiegesetzes (EnerG) des Kantons Zürich, womit eine wichtige Grundlage für wirksamen Klimaschutz im Gebäudebereich geschaffen wird. Dies geschieht über die Umsetzung der 2014 angepassten Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn 2014), wobei das EnerG noch in einigen Punkten höhere Anforderungen formuliert.

Energiegesetz für Neubauten

Der Kanton Zürich will hinsichtlich des Einsatzes erneuerbarer Heizungssysteme einen Zacken zulegen. Im neuen § 11 des EnerG ist der Grundsatz definiert: «Der Energiebedarf von Neubauten für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Klimatisierung muss ohne CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen gedeckt werden.» Die Forderung ist erwartungsgemäss gut erfüllbar: Klimaneutrale Heizsysteme wie Wärmepumpen, Fernwärme-Anschlüsse oder Holzheizungen sind als technisch ausgereifte Lösungen am Markt erhältlich und sind in der Langfristbetrachtung meistens günstiger als Heizungsanlagen auf der Basis fossiler Brennstoffe.

Gleichwohl nimmt man Rücksicht auf Eigenheiten der Gebäude und Örtlichkeiten: So gewährt § 47c BBV I den Einsatz fossiler Brennstoffe und zwar a) für die Abdeckung von Spitzenlasten im Umfang von höchstens 10% des jährlichen Gesamtwärmebedarfs und b) bei wärmegeführten Wärmekraftkopplungsanlagen.

Vortrag AWEL Energiepolitik Christoph Gmür
Züri-Finish: Nur wenn die Gesamtkosten für ein klimaneutrales Heizungssystem über die gesamte Lebensdauer mehr als 5% höher liegen als im Vergleich zu einer Öl- oder Gasheizung, darf ein 1:1-Heizkesselersatz vorgenommen werden. Christoph Gmür, Leiter Sektion Energietechnik vom AWEL erklärt den Lebenszyklusrechner.

Der «Züri-Finish» beim Heizkesselersatz

Bis dato sind im Kanton Zürich noch rund 120‘000 Öl- und Gasheizungen im Betrieb und bislang war Praxis, jede zweite Heizung dieses Typs am Ende ihrer Lebensdauer wieder mit einer Öl- und Gasheizung zu ersetzen. Bereits in der parlamentarischen Debatte zu reden gaben die Bestimmungen zum Heizkesselersatz im Bestandesbau, der im Absatz 2 des § 11 geregelt ist. Der sogenannte «Züri Finish» verlangt den Umstieg auf ein klimaneutrales Heizungssystem, wenn dieser «technisch möglich und finanziell tragbar» ist.

Als Bemessungsgrundlage gelten die Lebenszykluskosten einer Anlage. Im Grundsatz gilt: «Sind die Kosten (Energiekosten, Betriebskosten wie Unterhalt usw., Investitionskosten – Abschreibung) über die gesamte Lebensdauer mehr als 5% höher im Vergleich zu einer Öl- und Gasheizung, darf wieder eine Öl- und Gasheizung eingebaut werden.» Mit einer a-priori-Einschätzung lässt man es nicht bewenden; Bauherren oder Projektbeauftragte für den Einbau von Öl- oder Gasheizungen müssen den Tatbeweis erbringen.

Christoph Gmür, Leiter Sektion Energietechnik beim AWEL, zeigte auf, welche Hilfsmittel die Behörde hierbei zur Verfügung stellt. Eine zentrale Rolle spielt der Lebenszykluskosten-Rechner. Dabei handelt es sich um ein Excel-Tool; dessen Rechenformel basiert auf durchschnittlichen Energiepreisen der letzten vier Jahre, ebenso auf Lebensdauertabellen für Investitionen im Heizungsbereich (des Mieter- und Hauseigentümerverbands), schliesslich auf dem Referenzzinssatz gemäss eidg. Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG). Grundsätzlich soll das Instrument eine transparente Übersicht zu den Energie- bzw. Brennstoffkosten, den Wartungs- und Unterhaltskosten und zu den Kapitalkosten im Systemvergleich bieten.

Grafik Energiekosten Heizung Vergleich
Über die geplante Lebensdauer gerechnet ist eine Wärmepumpe heute häufig günstiger als eine Öl- oder Gasheizung. Beispiel: Ölheizungsersatz fürs Einfamilienhaus, jährl. Betriebskosten bei 20 Jahre Betriebsdauer, bisheriger Verbrauch 2200 Liter Heizöl, Förderbeiträge berücksichtigt. Quellen: AWEL, erneuerbarheizen.ch

Standardlösungen gemäss MuKEn

Nicht zu vergessen: Der schliesslich unter EnerG-Bedingungen zugelassene 1:1-Wärmeerzeuger-Ersatz mit fossilen Brennstoffen befreit nicht von der zusätzlichen Vorgabe, mindestens einen kleinen Anteil des Energiebedarfs eines Gebäudes, nämlich 10% mit erneuerbaren Energien abzudecken (wie in anderen Kantonen, welche die MuKEn 2014 bereits umgesetzt haben). Hierfür stehen die sogenannten Standardlösungen zur Auswahl.

Ausnahmen

Wie bei jedem Gesetz werden Sonderfälle berücksichtigt:

  • So gelten die oben erwähnten Bestimmungen von § 11 als erfüllt, wenn ein Gebäude an ein Wärmenetz angeschlossen wird, vorausgesetzt, dass 70 % der bereitgestellten Wärme fürs Netz ohne CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen erzeugt worden ist – was der Regelfall sein dürfte.
  • Gemeinden können für eine begrenzte Dauer «Aufschub» gewähren und für ein Haus allenfalls eine neue Heizung mit konventionellen Brennstoffen erlauben, falls mittelfristig ein Anschluss an ein Wärmenetz vorgesehen ist.
  • Ausserdem greift eine Härtefallregelung, falls Hauseigentümer die Investitionskosten eines Umstiegs nicht tragen können, konkret eine Finanzierung mit Fremdkapital nicht aufzubringen ist. Der Aufschub gilt bis 3 Jahre nach Handänderung. Damit will man sicherstellen, dass niemand sein selbst bewohntes Haus veräussern muss, weil er die Kosten des Umstiegs nicht finanzieren könnte.
  • Von den Anforderungen gemäss § 11 Abs. 4 EnerG befreit sind Wärmeerzeuger, die zu mehr als 50 % für die Erzeugung von Prozesswärme (z.B. Industrie) für Temperaturen über 60° C eingesetzt werden.

Weitere Themen: Biogas-Zertifikate, Lärmschutz Wärmepumpen

Falls in einem bestehenden Gebäude eine Gasheizung mit Biogas-Zertifikaten eingesetzt werden soll, dann regelt die BBV I neu die Rechten und Pflichten der Gasnetzbetreiber, der Energielieferanten und der registerführenden Stelle bei der Verwendung dieser Biogas-Zertifikate. Neues hörte man von Experte Arthur Huber zur revidierten Norm SIA 384/6:2001 bezüglich Verhinderung der Überlastung von Erdwärmesonden, ebenso zur Qualitätssicherung für Bohrtiefen ab 300 Metern, das u.a. eine bohrtechnische Prognose, ein Hinterfüllungskonzept und ein Konzept zur Druck- und Durchflussprüfung umfasst.

Martin Wehrle vom kantonalen Tiefbauamt erläuterte das Vorsorgeprinzip in der Vollzugshilfe hinsichtlich der Lärmschutzanforderungen bei Luft/Wasser-Wärmepumpen (L/W-WP). Im Sinne der Vorsorge sind L/W-WP nachts im Flüstermodus zu betreiben. Christoph Gmür zeigte auf, dass bei Aussentemperaturen von über etwa -3°C bis +2°C (je nach Situation) die Geräte der neueren Generation mit drehzahlregulierter Invertertechnik nicht nur effizient arbeiten, sondern auch leise sein können (die Wärmeleistung im Flüstermodus genügt bereits zur Deckung des mittleren Leistungsbedarfs über einen Tag). Bei kälteren Aussentemperaturen sollten die Fenster in der Nachbarschaft geschlossen sein. 

 

AWEL Energiepolitik Apero
Die vom AWEL und von suissetec-Nordostschweiz organisierte Veranstaltung war auch dieses Jahr sehr gut besucht. Gelegenheit beim Apéro zum Fachsimplen und mehr.

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